Monterey Car Week: Das »Beste« zum Schluss (2024)

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Über die Nachricht aus Genf lachten manche an der US-amerikanischen Westküste wohl nur. Die Frühjahrs-Automesse in der Schweiz wurde zum vierten Mal in Folge abgesagt, diesmal aus Mangel an Interesse. Derweil boomt die Monterey Car Week in Kalifornien: Was vor über siebzig Jahren mal als Oldtlimer Concours begonnen hat, ist mittlerweile zum größten und vielleicht sogar bedeutendsten Event der PS-Welt geworden. Die Petrolheads feiern auf der Halbinsel zwei Stunden südlich von San Francisco eine rauschende Vollgas-Party, und am 18. Loch des Golfplatzes von Pebble Beach inspizieren Juroren das edelste Altmetall.

Die vielen Hunderttausend Besucher dort eint die ungebrochene – wenn zumeist auch wenig reflektierte – Faszination für Fahrzeuge aller Preisklassen und Segmente. Da finden sich die Rostlauben beim »Concours de Lemons«, germanische Vollgasfreude bei den »Legends of Autobahn« oder südländische Leidenschaft beim »Concorso Italiano«. Es gibt den eher peinlichen Auftritt moderner Hypercars beim dröhnend lauten »Fuelrun«, die charmante Little Car Show mit Klein- und Kleinstwagen aus aller Welt – aber auch millionenschwere Auktionen und den zentralen Schönheitswettkampf Concours d’Elegance.

Die Musik zur Party machen neben Sammlern und Selbstdarstellern mittlerweile im großen Stil die Hersteller. Denen kommt entgegen, dass hier niemand nach CO2-Ausstoß und Nachhaltigkeit fragt und dass das Geld sehr locker sitzt. Und so feiern sie in Pebble mittlerweile fast mehr Premieren als auf klassischen Automessen – sofern diese überhaupt noch stattfinden.

Völlig ignorieren die vertretenen Konzerne die globale Themenlage indes auch in Pebble Beach nicht. So hat Mercedes zwar die neue G-Klasse 4x42 mitgebracht, die mit ihren Portalachsen so hoch aufragt, dass die Standbesucher für die Sitzprobe ein Podest brauchen. Vertreten ist aber auch ein Ausblick auf den ebenfalls massigen, jedoch elektrisch angetriebenen EQ G. Audi stimmt mit seinen drei erstmals auf einer Bühne vereinten Sphere-Studien auf die elektrische Zukunft der Marke ein. Lincoln als vielleicht traditionsreichste Luxusmarke aus den USA zeigt ein batteriebetriebenes Raumschiff auf Rädern, das das voll autonome Fahren vorwegnimmt.

Zusammengenommen, entsteht auf der Carweek in Monterey eine etwas sentimentale Stimmungslage. Geredet wird vom nahen Ende jener Zeit, als noch die Zahl der Zylinder definierte, welchen Stellenwert ein Auto hat. Gerade von Leuten von Marken wie Aston Martin, Bentley oder Bugatti ist so etwas zu hören. Fast etwas trotzig zaubern sie dann alle noch mal besonders starke, schnelle, exklusive Autos mit V12, W12 oder W16 Aggregaten und bis zu 1600 PS aus dem Hut – und rufen dafür umso höhere Preise auf. »Das Beste zum Schluss«, könnte das Motto lauten.

Tatsächlich verdienen die Hersteller besser denn je, weil zwei Phänomene zusammenkommen: Nach den Coronaeinschränkungen prassen viele Vollgasfanatiker umso lieber, zugleich treibt manche eine Art Verbrennungsmotor-Torschlusspanik um. Und so sind die PS-Pretiosen längst ausverkauft, bevor sie in der pazifischen Sonne glänzen. Das gilt für die 25 Exemplare des drei Millionen teuren McLaren Solus GT wie für die 18 Exemplare des Bentley Bator für jeweils 1,65 Millionen plus Steuern oder die fünf Millionen für den Buggati Mistral, der als schnellster Roadster der Welt 99 Mal gebaut wird.

Geht diese Party in Pebble Beach weiter?

Das sind noch Schnäppchen vergleichen mit manchen Oldtimern, die bei Goodings, Sothebys und anderen hier über drei Tage im Minutentakt versteigert werden und auch mal achtstellige Preise erzielen: Über 450 Millionen Dollar haben die Auktionshäuser am langen Wochenende umgesetzt, meldet Marktbeobachter Hagerty, und damit den Rekord von 2015 um rund 60 Millionen übertroffen.

Geht diese Party in Pebble Beach weiter, wenn sich das Benzin-Zeitalter dem Ende zuneigt? Wahrscheinlich ja – schon, weil nach wie vor die Oldtimer im Mittelpunkt stehen. Zudem spielen die neuen Player der Autowelt nach den alten Regeln und befriedigen die Gier nach Spielzeugen und Superlativen. So surren zwischen all den Pagani, Bugatti und Koenigsegg auch ein paar elektrische Hyper-Sportwagen wie der Rimac Nevera oder der Pininfarina Battista über den 17 Miles Drive. Die stärkste Limousine der Show kommt von Lucid, nicht von AMG oder der M GmbH. Der Lucid Air bekommt als Saphire-Edition jetzt über 1200 PS und sichert sich damit die Pole Position in der Businessklasse.

Dass alte und neue Welt zunehmend verschwimmen, zeigen bei der Monterey Car Werk zwei alte Bekannte: Buggy-Erfinder Mayers Manx präsentieren jenen elektrischen Strandflitzer, der aus dem VW ID Buggy hätte werden können. DeLorean feiert an der Ladesäule sein Comeback mit einem Flügeltürer für die ganze Familie, der als Alpha5 zu Schätzpreisen um 200.000 Dollar seinen Weg finden soll.

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Alles bloß gestrige Prahlerei mit neuem Antrieb? Nicht für den Kölner Designprofessor Paolo Tumminelli. Er lobt sogar: »Das Konzept eines Concours, sich mit teuren, exotischen Wagen im herrlich-entspannten Kontext zu inszenieren, ist so alt wie die Welt.« Das sei mit den elegantesten Pferdekutschen nicht anders gewesen.

Die Orte, wo Millionäre die Wagen präsentierten, würden oft besonders gut gepflegt und dienten der Allgemeinheit als Parks. »Auch die Reichen brauchen Platz«, sagt Tumminelli. »Und wohin soll man einen millionenschweren Bugatti oder Ferrari schon steuern, wenn nicht durch ein derart elitäres Paralleluniversum.«

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Author: Mrs. Angelic Larkin

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